Director's Statement
2011 traf ich Andy Goldsworthy bei einem Dreh in Schottland wieder, zum ersten Mal nach über 10 Jahren, die vergangen waren, seit wir zusammen Rivers and Tides gemacht hatten. Vom ersten Augenblick an kam es mir so vor, als hätten wir uns erst vor ein paar Tagen verabschiedet, als sei seitdem keine Zeit vergangen. Sofort war da wieder eine gro§e Nähe, und mir wurde bewusst, dass mein Interesse für diesen Mann und seine Arbeit niemals aufgehört hatte. Wir sprachen lange miteinander, und wenige Wochen später gestanden wir uns ein, dass wir beide über die Möglichkeit nachdachten, einen neues gemeinsames Filmprojekt zu beginnen. Aber der große Erfolg von "Rivers and Tides" fühlte sich wie eine schwere Bürde an, ein großes Erbe, und wir zögerten lange damit, unseren Plan ernsthaft zu verfolgen. Obwohl ein Film nur ein kleiner Moment in der Zeit ist, bleibt er doch auf eine bestimmte Weise für immer und schreibt einen bestimmten Blick fest. Viele Menschen, die "Rivers and Tides" kennen, glauben daher, dass sie Andy Goldsworthy kennen. Ich glaube, unsere größte Motivation war daher, Andy und seiner Arbeit andere und neue Perspektiven hinzuzufügen und damit vielleicht auch ein wenig seine Fans zu irritieren.
Ich traf Andy daraufhin immer wieder mal in Schottland, wir redeten viel, und manchmal filmte ich auch etwas. Als schließlich meine Produzenten mit an Bord kamen, wurde ein wirkliches Filmprojekt daraus, dass mich über vier Jahre lang beschäftigte. Es war eine großartige Zeit und eine unvergessliche Erfahrung. Wieder lernte ich so viel von diesem Ausnahmekünstler und ich hoffe, es ist mir gelungen, das im Film zu zeigen: Lektionen über Leben und Tod, über diese immerwährende Auseinandersetzung, oder darüber, was es bedeutet, Künstler zu sein. In Andys Leben hatte sich viel verändert, was Eingang in seine Kunst gefunden hat. Das war auf vielen verschiedenen Ebenen spannend. Eine davon hatte auch mit mir persönlich zu tun: Wir beide arbeiteten an diesem Projekt mit den eigenen Kindern als Assistenten – Andy mit Holly, die auch im Film zu sehen ist, ich mit Felix als Kameraassistent und Tonmann. Ich hatte Holly 12 Jahre lang nicht gesehen, sie ist inzwischen eine junge, eigenständige Künstlerin, die selbstbewußt ihrem manchmal recht verschrobenen Vater hilft. Unsere Kinder sind die nächste Generation, ein Sinnbild der vergehenden Zeit – und wir, die alte Generation, müssen damit umgehen. "Leaning Into the Wind" bietet auf vielen verschiedenen Ebenen einen unterschiedlichen Blickwinkel, eine neue Perspektive, eine andere Wahrnehmung an. Der Film ist nicht nur eine Fortschreibung des vorherigen Films, sondern er steht für sich selbst. Ein neuer Moment in der Zeit, in Andys Leben – und in meinem Leben.
[Thomas Riedelsheimer]